
Der internationale Frauentag im Rahmen von Corona –Silke Tödter und Banafsheh Nourkhiz sagen gemeinsame Veranstaltung im Forum ab
Corona hat das Leben in Deutschland und weltweit grundlegend verändert. Es wird deutlich, dass Frauen wesentlich stärker von den Auswirkungen der Pandemie betroffen sind.
Alle gleichstellungspolitischen Schieflagen, auf die besonders auch die Gleichstellungsbeauftragten immer wieder hingewiesen haben, verschärfen sich jetzt.
Frauen tragen aktuell immer noch die Lasten in der Corona Krise. Sie arbeiten in den schlecht bezahlten Frauenberufen wie Krankenpflege, Altenpflege, sitzen in den Supermärkten an den Kassen und sie betreuen zuhause im Homeoffice ihre Kinder. Wir sprechen hier von den systemrelevanten Berufen, zu denen auch Mitarbeiterinnen in den Küchen, den Wäschereien, in der Verwaltung der Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen sowie den Rettungsdiensten gehören.
Dass fast ausnehmend Mütter ihre Kinder zuhause betreuen, weil Kitas und Schulen teilweise noch immer oder schon wieder geschlossen sind, führt auch dazu, dass Frauen sich für längere Zeit aus der Erwerbsarbeit zurückziehen. Dies verfestigt die traditionelle familiäre Arbeitsteilung mit ihren geschlechtertypischen Rollenbildern.
Besonders für die Care-Arbeit oder Sorge-Arbeit wird ein Backlash in traditionelle Rollenaufteilungen beobachtet. Eine aktuelle Studie der Hans- Böckler- Stiftung belegt, dass diese Tätigkeiten auch in der Corona Krise in der überwiegenden Mehrheit von Frauen geleistet werden, unter erheblichen, nicht nur finanziellen Einbußen. Sorgearbeit übernehmen wesentlich mehr Frauen als Männer. Bei Haushalten mit kleinem bis mittlerem Einkommen ist dies noch stärker zu beobachten. Besonders bei Müttern hat die Arbeitszufriedenheit abgenommen, was daran liegt, dass sie oft die Hauptlast der Kinderbetreuung und des Homeschooling tragen müssen und dafür ihre Arbeitszeiten im Beruf reduzieren müssen.
Die typischen Frauenberufe sind in der Regel kaum sichtbar, wenig prestige-trächtig und meist unterbezahlt, aber in der Corona Krise gehören sie zu den systemrelevanten Berufen. Gleichzeitig sind sie elementar wichtig, bieten aber keine Chance auf Homeoffice. Dazu kommt ein erhöhtes Gesundheitsrisiko in der täglichen Arbeit, beispielsweise als Pflegekraft, als Kassiererinnen oder als Erzieherinnen. Laut Statistik der Bundesagentur für Arbeit liegt der Frauenanteil bei den Beschäftigten in den Krankenhäusern bei 76%, im Einzelhandel mit Nahrungsmitteln bei rund 73% und in den Kindertagesstätten sogar bei knapp 93%. Die meisten Minijobs und Teilzeitbeschäftigungen entfallen auf Frauen (Regelungen des Kurzarbeitergeldes gelten nicht für Minijobberinnen)
Ein weiteres wichtiges Thema auch in der Corona Krise ist „Gewalt gegen Frauen im Geschlechterverhältnis“. Die eigenen vier Wände sind für viele Frauen der gefährlichste Ort im Leben. Durch die Corona Krise und die Einschränkungen im öffentlichen Leben haben sich Konflikte und Fälle von partnerschaftlicher Gewalt verschärft. Aufgrund von Überlastung, Ängsten und räumlicher Enge nehmen Gewalttätigkeit, partnerschaftliche und innerfamiliäre Konflikte und damit auch Häusliche Gewalt zu.
Gerade deshalb ist es besonders wichtig, dass gewaltbetroffene Frauen mit ihren Kindern schnell, unbürokratisch und zuverlässig Schutz und Beratung bekommen. Frauen, die zu Hause Gewalt erfahren, brauchen Rettungsanker wie das Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen oder einen sicheren Zufluchtsort. Deshalb hat die Gleichstellungbeauftragte des Landkreises Peine in der ersten Phase der Corona Krise mit zwei niedersächsischen bzw. bundesweiten Kampagnen (“Hast Du auch gehört?“ und „Stärker als Gewalt“) gegen häusliche Gewalt gemeinsam mit dem Peiner Frauenhaus versucht, zusätzlich Unterstützung zu leisten.
Mit Hilfe der Kreistagspolitik konnte das Peiner Frauenhaus befristet unbürokratisch über mehr Finanzmittel verfügen und langfristig ihre Unterbringungskapazitäten erweitern.
Die Versorgungslage bei Schwangerschaft und Geburt hatte sich schon vor der Corona Krise wegen Mangels an Hebammen und gynäkologischer Versorgung verschlechtert. Die Corona Krise hat gravierende Auswirkungen: Es finden keine Geburtsvorbereitungskurse statt und auch die Nachsorge durch Hebammen wird aufgrund der Ansteckungsgefahr nur eingeschränkt angeboten. Zudem haben die Kliniken die Begleitung während der Geburt stark eingeschränkt.
Die geschilderten Auswirkungen der Corona Krise auf Frauen bewirken auch, dass sie sich in der jetzigen Lage noch weniger politisch einbringen können. Das ist umso problematischer, weil ihre Interessen und ihre Sichtweisen in der derzeitigen Dynamik der politischen Entscheidungen damit nicht ausreichend berücksichtigt werden.
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„Alles, was wir als Gleichstellungsbeauftragte seit Jahren fordern, erscheint unter den Bedingungen der Corona – Pandemie wie unter einem Brennglas. Es ist also ein guter Zeitpunkt für Politik und Arbeitgeber, die gleichstellungspolitischen Schieflagen ernst zu nehmen und bei der Umsetzung der Forderungen ein engagiertes, sachbezogenes, mutiges und zeitnahes Handeln zu zeigen“, finden Banafsheh Nourkhiz und Silke Tödter.
Darüber hinaus braucht es unbedingt zeitnah nachhaltige Entscheidungen wie:
• Die finanzielle Aufwertung der Berufe in Pflege, Gesundheitswesen, Erziehung und
Einzelhandel sowie die Verbesserung der Arbeitsbedingungen
• Die Abschaffung der Sonderregelungen für geringfügig Beschäftigte
• Steuer-, Sozial- und Familienleistungen so abzustimmen, dass sie zu einer finanziellen Verbesserung für Frauen, insbesondere Alleinerziehende führen
• Rahmenbedingungen und Arbeitszeiten schaffen, dass Väter und Mütter sich die Care-Arbeit gerecht teilen können
• Bundesweit einheitliche rechtliche Rahmenbedingungen und die Gewährleistung einer bedarfsgerechten und flächendeckenden Versorgung mit Gewaltschutz-einrichtungen (Frauenhäuser) und Beratungsstellen sowie umfassende präventive Maßnahmen zur Verhinderung der Gewalt gegen (Frauen Istanbul Konvention)
• Paritätische Besetzung von Gremien, damit die Anliegen von Frauen vertreten werden können
In der Stadtverwaltung und der Landkreisverwaltung sind Frauen als berufstätige Mütter ebenso betroffen, wie als Erzieherinnen und Raumpflegerinnen. Hier stehen sich die Bedürfnisse manchmal auch entgegen – Eltern brauchen verlässliche Kinderbetreuung und Erzieherinnen müssen vor Ansteckung geschützt werden.
Die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Peine hat sich gemeinsam mit dem Personalamt noch einmal verstärkt für das Thema „Vereinbarkeit von Beruf und Familie eingesetzt, besonders im Hinblick auf Telearbeit und Homeoffice.
Noch ist nicht absehbar, wie unsere Welt nach der Corona Krise aussehen wird.
Müssen wir damit rechnen, dass gleichstellungspolitische Ziele zurückgestellt und Errungenschaften in Frage gestellt werden – oder führt die Situation zu einem Aufschwung zum Beispiel bei der schon lange geforderten Aufwertung von Frauenberufen?
„Umso wichtiger ist es gerade heute, mithilfe des Internationalen Frauentages weiterhin Solidarität für gleiche und bessere Arbeits- und Lebensbedingungen von Frauen einzufordern.
In diesem Sinne lassen Sie uns vernetzt und zuversichtlich bleiben, damit wir auch in diesem Jahr Positives bewegen können,“
wünschen sich Silke Tödter und Banafsheh Nourkhiz und hoffen, dass es im nächsten Jahr wieder eine gemeinsame Veranstaltung zum internationalen Frauentag mit ihren Kooperationspartnerinnen, den Grünen Frauen, den DGB Frauen Peine, der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen und der CDU Frauen Union geben wird.
Silke Tödter Banafsheh Nourkhiz